Also los, Liebeswanderer, von Tür zu Tür. Die Stadt ist groß.
Berliner Beziehungen: Liebe? Auf keinen Fall! - Bergisch Gladbach
Es ist eines dieser Dinge mit Berlin und Liebe. Haben Sie hier jemanden kennen und schätzen gelernt? Dazu genügt ein flüchtiger Einblick in meinen Bekanntenkreis, alle Ende zwanzig und anfangs dreißig: Rund neunzig Prozentpunkte der Ehepaare haben sich außerhalb Berlins getroffen, während ihres Auslandspraktikums in Kapstadt, im Erasmus-Semester in Spanien, während ihres Studienaufenthaltes in Köln - und das alles, aber nicht hier.
Doch in Berlin einen Ansprechpartner zu suchen, mit dem man eine seriöse Geschäftsbeziehung haben kann, erscheint vollkommen unmögl. In Berlin gibt es Selbstverwirklichung und Hedonismus, FlexibilitÃ?t und Diskretion. Die Berlinerin - oder besser gesagt: die neue Berlinerin, die eingezogen ist - feiert es, mit einem wichtigen Gesicht im Cafe zu sein und sich ebenso mit sich und seinem Notebook zu beschäftigen.
Nach einer halben Std. gibt er zu, dass er tatsächlich eine feste Partnerin hat. Nach Ansicht meines Kommilitonen, der in der vergangenen Wochen an dieser Position das Loblied auf Polyamorität (eigentlich eher: Promiskuität) gesungen hat, ist der Mensch in der Monogamie der Zwei ein Provinzial, der die Stadtdynamik verlangsamt und, wenn nicht sogar vegetarisch, hilft.
Neben der Tatsache, dass das Unsinn ist, wundere ich mich, was an der Liebe so falsch ist? Es geht nicht um reine körperliche Liebe, sondern um Liebe, bei der es auch um Beziehung, Selbstvertrauen. Das ist doch etwas besonders Großes und Bedeutsames im sich schnell entwickelnden Berlin, wo die Arbeitsplätze unsichere Arbeitsplätze sind, die Mietpreise ansteigen und sich ganze Stadtteile schnell verändern?
Ein Bekannter, der vor kurzem bei ihrem Mann eingezogen ist (sie trafen sich übrigens in Weimar), fragt, ob sie noch zeitgenössisch sei, weil sie eine fröhliche, unglückliche und unglückliche Verbindung hatte. Sind die Menschen in Berlin bürgerlich oder exotisch, wenn sie unter 35 Jahre alt sind und weder eine offenes Verhältnis haben noch in polyamoren Sternbildern, sondern in einer Verbindung mit einem einzelnen Ansprechpartner - und das auch mit der Vereinbarung, sich gegenseitig die Treue zu halten?
Die flirtenden und fickenden tollwütigen Menschen dieser Großstadt in die Wildnis - optional nach Grossburgwedel, wie von meinem Arbeitskollegen - wünschen sich solche Paare - halte ich das für schwierig. Die hedonistischen Partymenschen, die zahm durch Berlin wandern, lassen die Großstadt in einer hormongesteuerten permanenten Pubertät bleiben. Doch das Großartige an dieser Großstadt ist ihre tolerante Haltung, besonders in Sachen Liebe.
Ehrlich gesagt, liebe Genießer, die Zeit, in der wir uns selbst erproben, suchen das Abenteuer und zelebrieren, als ob es kein Morgen gäbe, wir alle hatten es einmal. Bis dahin sollten die lokalen Romantiker (falls sie noch existieren) Platz für ihre eigenen Formen von Beziehung, Liebe und des Lebens haben. Denn wir wohnen in Berlin.
In unserer Samstagbeilage Mehr Berlin tauchte dieser Schriftzug erstmals als Redewendung auf.